Andreas Bulgaropulos: Die Welt hinter der Welt [Ebquizeon Band 1]

Andreas Bulgaropulos: Die Welt hinter der Welt [Ebquizeon Band 1]. Norderstedt Mai 2009, Books on Demand, ISBN 3-8370-9877-X, Paperback, 552 Seiten, 27,95 Euro

Professor Jonathan McGloominter arbeitet im Bereich Quantum Engineering der Gyroscope & Bionics Technologies Corporation. Er hat dort bereits mehrere Generationen von Nanobots entwickelt, deren neueste Generation, der Quantumbot, sogar Teleportation ermöglichen wird - wenn die Kinderkrankheiten beseitigt sind. Doch McGloominter ist besorgt, da er unautorisierten Zugriff auf seine Forschungsunterlagen festgestellt hat. Es gelingt ihm gerade noch rechtzeitig, die Daten über die Quantumbots in Sicherheit zu bringen, bevor der Eindringling, offenbar eine außer Kontrolle geratene Künstliche Intelligenz, sich Zugriff verschaffen kann. Nun ist er vor der KI auf der Flucht. Dreieinhalb Monate später kommt es in der Minenstadt Kap Rosa auf dem Mond zu einem Zwischenfall: Eine Frauenleiche taucht in einer Brymm-Reinigungsanlage auf - eigentlich unmöglich. Die Förderung der blauen Brymm-Kristalle, eines mur auf dem Mond gefundenen Minerals, das sich sehr leicht in Energie umsetzen läßt, wird von der Skyrock Corporation monopolistisch betrieben und von der Sicherheitsagentur Sol Guard streng überwacht. In letzter Zeit gab es jedoch mehrere unerklärliche Zwischenfälle, so daß die Minengesellschaft der Sol Guard den Inspektor Edwin Duquette vor die Nase setzt. Der scheint die Aufklärungsbemühungen von Chief-Officer Lester Benx allerdings durch seine Paranoia eher zu behindern. Master Officer Cole "Coffee" Goffrey, einer von Benxens Teammitgliedern, stellt fest, daß die Frauenleiche aus konzentriertem Brymm besteht, das in Kürze eine heftige Explosion in der Mine verursachen wird. Als der Offizier versucht, die Mine evakuieren zu lassen, mischt sich plötzlich eine Künstliche Intelligenz ein, und Goffrey wird von einem superschnellen Wesen offenbar außerirdischer Herkunft angegriffen. Zwei Tage vorher überlegt John McGloominter, wie er auf die Ermordung seiner Frau und die Entführung seiner Tochter reagieren soll, als er einem weiteren Angriff der KI Ambrosia nur knapp entgeht. Dabei rettet er Jezebel "Jayzee" Tannhauser, die beste Freundin seiner Tochter, die ihn über ein Interface im Extended-Reality-Space nach Ebquizeon bringt, das sich als eine Art komplementäre Parallelwelt mit völlig anderen Naturgesetzen entpuppt. Die Vorgänge auf der Erde und in Ebquizeon stehen in direktem Zusammenhang...

Andreas Bulgaropulos hat ein hochkomplexes Multiversum geschaffen, bei dem unsere Welt, Ebquizeon und das Brymm bzw. Kyanos aus der Zerstörung oder Aufspaltung Urwesens oder Urzustands durch böse Kräfte hervorgegangen sind. Nun tobt ein weltenumspannender Kampf zwischen besagten bösen Kräften und denen, die die drei Bestandteile wieder vereinigen wollen. Der volle Umfang dieses Weltentwurfs wird erst gegen Ende des Buches offenbar. Die Komplexität von Welt und Handlung zeigt sich auch dadurch, daß eine erstaunlich große Zahl von Haupt- und Nebenfiguren vorkommt. Das führt beim Leser schnell zur Verwirrung, zumal manche Personen und Dinge mit mehr als einem Namen bezeichnet werden. Hier wäre ein Personen- und Bezeichnungsverzeichnis sehr hilfreich gewesen. Glücklicherweise führe ich ein solches bei jedem von mir gelesenen Buch selbst, sonst hätte ich vieles nicht richtig verstanden. Der Autor hat mit zugesagt, auf seiner Homepage ein solches Verzeichnis zu veröffentlichen.

Das Buch beginnt nach einem kurzen Prolog mit einem spannungs- und actiongeladenen Kapitel, bei dem der Leser nur wenige Zusammenhänge versteht, aber genau dadurch ans Buch gefesselt wird. Dann beginnt die Rückblende, aus der nach und nach die Zusammenhänge sichtbar werden. Die Geschehnisse auf dem Mond und die in Ebquizeon wechseln sich nun ab, was den Leser immer wieder vor Rätsel stellt und diese dann klärt. Ein exzellenter erzählerischer Kniff, mit dem es dem Autor gelungen ist, mich ans Buch zu fesseln.

Die Protagonisten reagieren zum größten Teil nur, sie werden von den Ereignissen oft regelrecht überrollt, so daß weder Charaktere noch Leser zu Atem kommen können. Während dies dem Spannungsbogen zugute kommt, leidet die Charakterentwicklung der Personen darunter. Die Protagonisten werden zwar gut eingeführt und dargestellt, aber für eine tiefgründige Charakterisierung fehlt einfach der Raum. Der "Ziegelstein" ist derart mit Handlung und Wandlung vollgestopft, daß für die Charakterdarstellung und -entwicklung mit mehr viel übrigbleibt. Das finde ich sehr schade, denn einige Figuren haben großes erzählerisches Potential, das bedauerlicherweise nicht ausgeschöpft wird. Dann wäre der Roman freilich noch viel dicker geworden...

Obwohl das Buch nur zwei Erzählebenen hat, die Vorgänge in der Brymm-Mine auf dem Mond sowie die Vorgänge um McGloominter auf der Erde und in Ebquizeon, die letztlich zu den Ereignissen auf dem Mond geführt haben, ist das Buch mit wichtigen Schauplätzen und Charakteren vollgestopft. Mein Rat wäre normalerweise, das Buch kräftig zu kürzen, unwichtige Handlungsstränge und Personen herauszustreichen und es dann auf die wesentlichen Erzählorte und Protagonisten zu konzentrieren und diese dann tiefer auszuleuchten, um sie so dem Leser näherzubringen. Im vorliegenden Fall weiß ich aber nicht recht, wo ich kürzen sollte, da eigentlich alles zum Verständnis der Situation und der Handlungsträger notwendig ist. Ich würde mir im Gegenteil eher wünschen, genaueres über Handlung und Personen zu erfahren. Dabei würde eine Konzentration auf das Wesentliche den Roman sicher besser lesbar und vor allem besser verständlich zu machen. Die Vielzahl von Orten und Protagonisten erschlägt den Leser regelrecht, da er nicht mehr mitkommt sich alles zu merken, und dadurch zwangsläufig durcheinanderkommt, zumal nicht immer gleich klar ist, wer wer ist und auf welcher Seite er steht. Leser ohne sehr gutes Gedächtnis oder einen großen Spickzettel wie ich werden hierdurch einen großen Teil der Lesefreude einbüßen. Auch ein vorhandenes Personen- und Begriffsregister würde dem Lesefluß Abbruch tun, wäre jedoch sehr hilfreich und wird auf meine Anregung hin gerade für die Homepage des Autors erstellt.

Die Sprache ist gut, der Stil leidet allerdings darunter, daß zu viel auf zu geringem Raum erzählt werden soll. Durch diese Gedrängtheit wirken die Personen oft etwas farblos und leblos. Wohl auch durch die Vielzahl der Protagonisten gelingt es dem Roman nicht, die Identifikation des Lesers mit einer oder mehrerer der Hauptpersonen zu erreichen, dafür bleiben diese zu zweidimensional und wechseln zu häufig. Das schafft Distanz zum Leser und macht es diesem noch schwerer, dem Buch zu folgen.

Auf dem Buchumschlag prangt "Science-Fiction-Fantasy", ein Etikett, das mich persönlich eher abschreckt, da mir Fantasy nicht liegt. Science Fiction ist auf jeden Fall enthalten, eine durchgeknallte Künstliche Intelligenz, Nanobots, möglicherweise Aliens und ein terrageformter Mond sind deutliche Anzeichen. Ob es sich auch um Fantasy handelt, kann ich mangels Erfahrung nicht beurteilen, aber die Sache mit dem Brymm, Ebquizeon als komplementäres Paralleluniversum und dem Funken des Urwesens klingen für mich sehr metaphysisch und esoterisch, das ist ganz und gar nicht mein Geschmack. Es gelingt Andreas Bulgaropulos jedoch, die beiden Welten gut miteinander zu verbinden. Ob diese Verbindung auch schlüssig ist, wird der nächste Band zeigen müssen.

Im Allgemeinen schenke ich Titelbildern wenig Aufmerksamkeit. Im vorliegenden Fall jedoch zeigt das Bild sehr schön die Mehrschichtigkeit der Welt im Roman. Leider kommt dies im zweifarbigen Druck kaum zur Geltung. Ideal wäre ein Kippeffekt, bei dem je nach Betrachtungswinkel eine andere Ebene aufleuchtet. Ein solcher Effekt wäre aber wohl recht teuer und steht bei Books on Demand leider nicht zur Verfügung. Eine andere Möglichkeit wäre, die verschiedenen Ebenen jeweils in einer anderen Farbe zu drucken. Auch die vorliegende blaue Version lohnt genaues Hinsehen - es steckt mehr darin als auf den ersten Blick sichtbar.

Fazit: Ein Roman, der vor Ideenfülle regelrecht überquillt. Allerdings macht die Vielzahl der Szenarien und Personen es dem Leser schwer, dem Buch zu folgen und es zu verstehen und erfordert einen organisierten Leser. Der metaphysisch-esoterische Einschlag ist Geschmackssache. Unter der gedrängten Handlung leiden Personencharakterisierung und Schreibstil. Bedingt empfehlenswert.


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Erstellt am Mo, den 09.08.2009 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Fre, den 04.08.2009 um 19:34.