Mark L. Van Name: One Jump Ahead [Jon & Lobo Band 1]. Baen Juni 2007, ISBN 1-4165-2085-6, Hardcover mit billiger Leimbindung und Schutzumschlag 16,3 cm x 24,2 cm, 293 Seiten, 24,00 US-$
Ich-Erzähler Jon Moore hat in seinem etwa 150jährigen Leben vieles erlebt, aber das meiste hält er zu seiner eigenen Sicherheit geheim, denn zunächst hat seine eigene Schwester an seinem Gehirn herumgespielt, dann wurde er Experimenten mit Nanomaschinen unterzogen. Er ist der einzige Überlebende, eine Katastrophe in dem Forschungszentrum führte zur Quarantäne seines Heimatsystems und dazu, daß die Menschheit glaubt, daß Nanomaschinen nicht dauerhaft in den menschlichen Organismus integriert werden können. Jon hält geheim, daß das bei ihm geklappt hat, denn sonst würde er wieder in einem Labor landen. Der menschliche Siedlungsraum (von Aliens wird nicht gesprochen) teilt sich in die Central Coalition und die Frontier Coalition. Die Regierungen haben allerdings nicht allzuviel Macht, die liegt eher bei den großen interstellaren Firmenkonsortien. Zwei davon, Xychek und Kelco, haben auf die Entwicklungsrechte für den Planeten Macken geboten, auf dem Jon gerade Urlaub macht. Macken ist besonders interessant, da sein Sprungtor, ein sich selbst verteidigendes Gebilde unbekannter Herkuft, auf denen die interstellare Reise beruht, gerade eine neue Öffnung bildet. Damit hat der, der die Kontrolle über Macken bekommt, auch Zugriff auf den Planeten, zu dem die neue Öffnung führen wird. Jon wird von Ron Slake, dem lokalen Repräsentanten Kelcos, aufgesucht und gebeten, seine von lokalen militanten Naturschützern entführte Tochter Jasmine zu befreien. Das gelingt ihm mithilfe seiner Nanos auch recht schnell und unblutig. In einem Nebengeschäft mit dem Bürgermeister der größten Ortschaft auf Macken bekommt er zusätzlich zur Million von Slake noch ein Predator-Class Assault Vehicle (PCAV) namens Lobo, dessen zentrale Geschützsteuerung allerdings zerstört wurde. Slake empfiehlt Jon einem Waffenhändler auf Lankin, dem Sitz der nächsten Bezirksregierung der Frontier Coalition, der ihm eine neue Geschützkontrolle verkaufen kann. Doch die Übergabe entpuppt sich als Falle, außerdem muß Jon feststellen, daß ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt wurde. Er verdächtigt Jose Chung, den Repräsentanten von Xychek auf Lankin, da seine Firma im Kampf um Macken unterlegen war. Doch der Kampf um Macken wird mit viel härteren Mitteln geführt, als Jon vermutet hat, und er muß feststellen, daß er einen großen Fehler begangen hat.
Das Titelbild paßt sehr gut zum Buch, da beide gleiche Eigenschaften haben: Naiv, simpel gemacht, irgendwie zu glatt und nicht besonders originell. Das Originellste sind die Sprungtore und ihr Geheimnis. Keiner weiß, woher sie stammen und ob es Lebewesen oder Maschinen oder etwas ganz anderes sind. Die wenigen bekannten Eigenschaften wurden durch Versuch und (tödlichen) Irrtum herausgefunden. Der Hintergrund der Geschichte ist komplex aufgebaut, aber leider wird er in seinen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Hauptcharakter Jon wird ebenfalls mit komplexer Vergangenheit ausgestattet, auch wenn sich der Autor bei den Details ausschweigt. Trotzdem hat Jon keinen komplexen Charakter, er bleibt ein naiver Optimist, der aus seinen Fehlern nicht wirklich lernt, da er sie nicht als Fehleinschätzungen seinerseits erkennt. Zwar wird ihm schließlich klar, daß Slate ihn für ein fieses Manöver benutzt hat, er merkt aber nicht, daß er bei seinem Bestreben, den Fehler auszubügeln, nun von der Gegenseite benutzt wird. Zwar sackt er einiges Geld ein, muß aber am Schluß befürchten, von allen Parteien gejagt zu werden.
Bei Lobo, dem Kampfschiff mit künstlicher Intelligenz, mußte ich sofort an die Bolo-Reihe denken, die von Keith Laumer erdacht und nach seinem Tod von anderen Autoren weitergeführt wurde. Das ist auch Eric Flint aufgefallen - in seinem Lob auf der Buchrückseite vergleicht er Van Name mit Laumer. Auch alle anderen bekannten SF-Autoren des Baen-Verlags loben das Buch auf seiner Rückseite (nur David Weber und Lois McMaster Bujold fehlen). Diese vereinten Lobhudeleien von Orson Scott Card, John Ringo, David Drake, Eric Flint und Jack McDevitt haben mich zum Kauf veranlaßt. Nun ja, ich kann diesen Autoren in ihrer Einschätzung nicht zustimmen. Ich habe bislang keinen Band der Bolo-Serie gelesen und kann daher nicht beurteilen, wie der vorliegende Roman im Vergleich dazu abschneidet.
Die handwerkliche Qualität des Buches ist schlecht, es wurde ein Papier schlechter Qualität verwendet, das aussieht, als sei es schon mindestens 10 Jahre alt, es ist durch und durch vergilbt. Die Buchkanten sind nicht sauber geschnitten, die Seiten einige Millimeter unterschiedlich lang abgeschnitten, und die Schnittkanten sind uneben, das Papier wirkt oft eher abgerissen als abgeschnitten. Die Leimbindung läßt ebenfalls zu wünschen übrig und ist unegal verteilt. Immerhin ist das Druckbild, verwendet wird eine schlichte und klare Serifenschrift, ordentlich und gut lesbar.
Der Roman liest sich flüssing, ist aber ohne besondere Höhepunkte und hinterließ bei mir keinen bleibenden Eindruck (außer der Enttäuschung über die meiner Menung nach haltlosen Lobeshymnen auf der Buchrückseite). Es handelt sich um nette, anspruchslose Unterhaltung. Der Autor versucht sich auch in Humor, speziell bei den Äußerungen Lobos, allerdings wirkt das in den meisten Fällen eher deplaziert und stört. Einige Stellen sind aber gut gelungen. Die Handlung plätschert ohne klares Ziel dahin - Jon macht immer mal wieder einen Fehler und versucht dann, ihn wieder auszubügeln - dabei bleibt aber immer ein gewisser Grad an Spannung erhalten. Es gibt keine Nebenhandlungen oder gar mehrere unabhängige Erzählstränge, alles wird schön der Reihe nach vom Ich-Erzähler berichtet und ist daher leicht verdaulich. Ich hatte zum Teil den Eindruck, daß das Buch für ein jugendliches Publikum geschrieben wurde, vor allem wirkt der Hauptprotagonist trotz seines hohen Alters eher wie eine junge Person ohne viel Erfahrung. Es gibt jedoch einige Passagen, vor allem über den Unterweltdistrikt von Belkin's Deal, die diesem Eindruck widersprechen.
Als Vergleichsobjekt bieten sich meiner Meinung nach vor allem die Romane um Kris Longknife von Mike Shepherd, auch wenn deren Protagonistin eine junge Fau ist, da sich Jon Moore eher wie ein junger Mann aufführt als wie ein erfahrener Hundertfünfzigjähriger. Wo John Lobo als intelligenten und bewaffneten Sidekick hat, kommt bei Kris ihr Computer Nelly ins Spiel, die zwar unbewaffnet, aber durchaus nicht hilflos ist. Beide Romane sind Unterhaltung ohne tiefergehenden Anspruch. In diesem Vergleich zeigen sich die eklatanten Schwächen von »One Jump Ahead« deutlich. Habe ich mich bei meinen Besprechungen der Kris-Longknife-Serien über die unzureichenden Charakterisierungen beschwert, so muß ich feststellen, daß sie bei diesem Buch praktisch völlig fehlen. Stattdessen arbeitet der Autor mit Klischees und einfachen Prototypen. Wo Shepherd es versteht, Humor und Ernst geschickt einzusetzen und so den Leser fesselnd durch die Höhen und Tiefen von Kris Leben zu führen, zündet Van Names Humor nur selten, wirklich ernst ist die Sache auch nicht, und das Schicksal von Jon interessiert nicht wirklich, da er, statt ein liebenswerter Charakter mit Ecken und Kantzen zu sein, eher flach und uninteressant bleibt. Der Funke springt einfach nicht über. Vielleicht bessert sich das ja in späteren Bänden, falls es welche gibt.
Fazit: Flüssig zu lesender Roman ohne Höhepunkte und mit klischeehaften Charakteren, bei dem auch die buchbinderische Qualität zu wünschen läßt. Nicht empfehlenswert, schon gar nicht zum teuren Hardcoverpreis. Als mildernder Umstand mag gelten, daß es sich um den ersten Roman des Autors handelt.
Copyright ©2008 Martin Stricker.
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Erstellt am So, den 06.01.2008 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am So, den 06.01.2008 um 15:41.